Streng vertraulich!
Constantinopel März 1916
5.März Essen beim Botschafter Graf Wolff Metternich zu dritt,
(Metternich, erst schweigsam, ging dann - auf London kommend -
aus sich heraus - feiner Kopf, etwas altersmüde). Mett. wohl
an 20 Jahre als Diplomat in London tätig, stimmt (selbst-
ständig, ohne Mac Clure's Formel zu kennen ) bei: "ein Krieg
aus Angst." England fürchtete Deutschlands entstehende See-
macht, glaubte ernstlich an Invasionsgefahr, hielt Treitschkes
vertraute englandfeindliche, für England neu zusammengesuchte
Aeusserungen,1 denen man ebenso viel russenfeindliche zur Seite
setzen könnte, so wie des ( in Deutschland ganz unbekannten )
Bernhardi , der in England und Amerika zu 100000den von Exem-
plaren zirkulierte,2 für Deutschlands letzte Meinung.
Seit 1905 berichtete Mett. an seine Regierung: England wird
im Falle eines deutsch-französischen Krieges nicht neutral
bleiben. (Mac Clure: France - first line of defense; navy the
second). Dies zu wissen, ermutigte Russland zum Kriege.
1909 fand Mac Clure "in the heart of the Foreign Office "
diese "ehrliche" Angst vor deutschen Invasionsabsichten (!)
in Unterredung mit Sir Tiriell.3
Das Gespräch wandte sich der U-Boot Frage zu. Mac Clure: Wil-
son
verlangt, dass dem zu zerstörenden feindlichen Handels-
schiff die Gelegenheit gegeben werde, die Besatzung zu retten -
aus "Menschlichkeit", (wozu das U-Boot ausserstande sei).
Deutschland verlange für die neue Waffe ein neues Recht,
das während des Krieges nicht geschaffen werden dürfe.
Hierauf Mett.: War es weniger menschlich, als England, unter


1    Heinrich von Treitschke wurde insbesondere von englischen Historikern als einer der wesentlichen Vertreter des deutschen Imperialismus eingeordnet.
2    Friedrich von Bernhardi wurde international vor allem durch sein 1912 erschienenes Buch Deutschland und der Nächste Krieg bekannt.
3    Vermutlich handelt es sich um den langjährigen Mitarbeiter des britischen Foreign Office William Tyrrell, 1. Baron Tyrrell , der dem Außenminister Sir Edward Grey von 1907 bis 1915 als Privatsekretär diente.