Achtes Kapitel.
Beziehungen zu Deutschland und erste Reil'en ins Vaterland.
So angenehm und anregend sich im Laufe der letzten Jahre mein Leben in Paris gestaltet hatte, so wenig vermochte es die Gedanken an die Rückkehr nach Deutschland und zur politischen Teilnahme an dessen Schicksalen abzulenken. Der große Kampf der preußischen Liberalen, die so energisch von der großen Masse der Gebildeten getragen wurden, konnte diese Sehnsucht nur verstärken. Lebhafter brieflicher Verkehr uud persönliche Berührung mit politisch gleichgesinnten Deutschen, die zahlreich in Paris erschienen, gaben dieser Gedaukeurichtuug immer neue Nahrung. Unter den letzteren trat mir besonders Hans Viktor von Unruh nahe, den seine Geschäfte oft nach Frankreich führten.
Er war ein interessanter Typus des kernigen liberalen preußischen Beamten jener Zeit. Er war im Dienst der Staatsverwaltung ins technische Gebiet gekommen nnd hatte die Eisenbahn von Berlin nach Potsdam gebaut, wurde später Direktor der großen Lokomotiven-Fabrik von Pflug und bewährte sich in seinem Berufe nach allen Seiten hin. Darunter hatte seine aktive Teilnahme an den Politischen Angelegenheiten nicht einen Augenblick gelitten. Er war im Jahre 1848 Präsident der preußischen Nationalversammlung gewesen und wurde auch iu der Konfliktszeit der sechziger Jahre wieder Vizepräsident des Abgeordnetenhauses (1863 bis 1867). Er gehörte dann zu denen, die bei dem großen Wendepunkt des Jahres 1866 als Führer der Fortschrittspartei mit Bismarck unterhandelten uud zu einer Verständigung zu kommen suchten. Anszüge ans seinem Tagebuch, die in den achtziger Jahren veröffentlicht wurden, enthalten sehr interessante Aufschlüsse uno Wiedergaben von vertraulichen Unterhaltungen mit Bismarck.
Unruh war ein Mann von strenger Wahrhaftigkeit, allein falschen Schein abgeneigt, dabei maßvoll und praktisch im Geiste.