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Die Reichsbank : 1876-1900
Entstehung
Seite
127
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Die Diskontpolitik. 127

So wenig sich die Reichsbank bei der Handhabung ihrer Diskontpolitik streng Diskontpolitik undan die Intentionen des Systems der Notensteuer binden konnte, so sehr mußte sie Geldmarkt,Rücksicht nehmen auf die realen Faktoren, welche die Gestaltung des Geldmarkts4 beherrschen, auf Angebot und Nachfrage. Auch die mächtigste Zentralbank kannbei der Festsetzung ihres Zinssatzes nicht willkürlich verfahren, sondern sie istabhängig von der Gestaltung des offenen Geldmarkts/ sie kann die Zinssätze nichtdiktiren, .sondern sie vermag nur innerhalb enger Grenzen regulirend einzugreifen.Eine Notenbank, deren Diskontsatz denjenigen, der sich auf dem offeuen Markte bildet,erheblich und dauernd. übersteigt, würde von den Kreditsuchenden soviel wie möglichgemieden werden, und sie würde, wenn sie überhaupt Geschäfte machen und die Fühlungmit der Verkehrswelt aufrecht erhalten will, sich durch das Brachliegen ihrer Mittelbald genöthigt sehen, mit einer Herabsetzung ihres Zinssatzes den Verhältnissen desoffenen Marktes Rechnung zu tragen. Umgekehrt müßte ein im Verhältniß zur that-sächlichen Marktlage zu niedriger Diskontsatz der Bank eine Uebersülle von Kredit-ansprüchen zuführen, dadurch eine Verminderung ihres Baarbestandes uud eineAusdehnung ihrer Verbindlichkeiten bewirken und so schließlich .die Fähigkeit zurNoteneinlösung und zur Leistung von Barauszahlungen aus den bei ihr stehendenGuthaben in Frage stellen. Jede Erschütterung des Vertrauens in die Sicherheit derBank und in die Festigkeit der Währuugsgrundlage führt jedoch ^ abgesehen vonallen anderen schlimmen Folgen mit Unfehlbarkeit gerade zu der Steigerung desZinsfußes, deren Vermeidung durch eine unrichtige und aussichtslose Politik erstrebtworden wäre.

Dieser engen Schranken muß man sich bei der Beurtheilung der Diskontpolitikeiner Zentralbank stets bewußt bleiben, namentlich wenn es sich um Vergleichungenzwischen Zentralbanken verschiedener Länder handelt, deren Geld- und Kapitalreichthumund deren wirthschastliche Entwickelung erheblich von einander abweichen. Nur einruhiges und sachliches Abwägen der realen Verhältnisse, welche die Gestaltung des Zins-fußes für kurzfristigen Kredit im Allgemeinen bedingen, ermöglichen ein objektives Urtheilüber die Diskontpolitik einer großen Notenbank.

Die Bedingungen für die Wirksamkeit der Xeichsbankvon 1876 bis 1900.

Die Größe und Schwierigkeit der Aufgaben, welche der Reichsbank bei ihrer Be-gründung zufielen und deren Würdigung für ein Urtheil über ihre Diskontpolitik un-erläßlich ist, beruht einerseits aus der gewaltigen Entwickelung der deutschen Volks-