Die Diskontpolitik,
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Die deutsche Ausfuhr, welche 1875 uicht viel mehr als die Hälfte der englische »betrug und um etwa 15 Prozent hinter der französischen zurückblieb, ist nur noch umein Viertel bis Fünftel geringer als die englische Ausfuhr und um zwei Fünftel größer als diefranzösische/ sie ist in dem fünfundzwauzigjährigen Zeitraum um 78 Prozent gestiegen,die englische dagegen nur um 35 Prozent, die französische nur um 5'/z Prozent, Esläßt sich daraus entnehmen, wie beträchtlich viel stärker die deutsche Volkswirthschaftim letzten Vierteljahrhuuderte sich entwickelt hat als diejenige der beiden erwähnteneuropäischen Staaten. Und wenn man nun weiter bedenkt, daß sich diese soviel inten>sivere Kraftentfaltung vollzogen hat auf der Grundlage eines ganz erheblich geringerenNationalreichthums, dann erhält man eine Vorstellung davon, iu wie viel stärkeremMaße in Deutschland alle Mittel und Kräfte, wie viel stärker namentlich der Kapital-und Geldvorrath bei uns in Anspruch genommen worden sind, als in jenen Ländern,die bereits in den siebziger Jahren aus eine weit vorgeschrittene Kapitalansammluugzurückblicken konnten und deren gcsammte wirthschaftliche Entwickeluug im Vergleiche mitDeutschland damals schon auf einem gewissen Ruhepunkt angekommen war.
Jede Ausdehnung der wirtschaftlichen Thätigkeit bedeutet eine Vermehrung derdurch Geld zu vermittelnden Umsätze. Der Verkehr sucht sich zunächst gegenüber demgesteigerten Bedarf an Umlaufsmitteln selbst zu helfeu, indem er die vorhandene Geld-zirkulation ergänzt durch einen größeren Betrag von Wechseln, die innerhalb gewisserSchranken das Geld ersetzen können. Die Wechselstempelsteuer (vergl. Tab. 55) giebt einenAnhalt zur Berechnung des Betrags der jährlich in Deutschlaud ausgestellteu Wechsel, unddanach ist dieser Betrag zu veranschlagen für das Jahr 1876 auf 12,9 Milliarden Mark,für das Jahr 1900 auf 23,3 Milliarden Mark, Da jedoch die Verwenduugsfähigkeit desWechsels als Zahluugsmittel nur eine beschränkte ist, gelangt weitaus der größte Theilder Wechsel zur Diskontirung bei den Banken. Der gesteigerte Bedarf des Verkehrsan allgemein verwendbaren Zahlungsmitteln, an Baargeld und Banknoten, mußte sichvor Allem äußern in einer verstärkten Inanspruchnahme der Neichsbank, da die Reichs-bank einerseits die Vermittlerin des Goldzuflusses aus dem Auslande ist, andererseitsvermöge ihres weitgehenden Notenrechts allein den Umsang der Zirkulatiou durch dieAusgabe metallisch nicht gedeckter Noten erheblich auszudehnen vermag, so daß jedewesentliche Vermehrung des deutschen Geldumlaufs nur von der Reichsbank ausgeht,mindestens aber durch die Reichsbank vermittelt wird. Die Inanspruchnahme der Bankläßt sich ersehen aus ihrer Anlage im Wechsel- und Lombardgeschäfte, Im Jahre 1875hat die durchschnittliche Anlage der Preußischen Bank in diesen Geschäftszweigen421,s Millionen Mark betragen? die durchschnittliche Anlage der Neichsbank') im ersten Jahre
Einschließlich der diskontirtcn Schatzanweisnngcn und der sonstigen diölvntilten Effekten,
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