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Die Reichsbank : 1876-1900
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Die Diskontpolitik

Der Wettbewerb derPrivcitnotenbanke»,

Die Erfüllung der großen Anforderungen, welche sich für die Reichsbank aus

der Entwickelung der deutschen Volkswirthschaft und aus dem Zustande des deutscheuGeldwesens ergaben, wnrde in gewissein Grade erschwert durch die Stellung, welchedas Bankgesetz von 1875 den Privatnotenbanken neben der Neichsbank zugewiesenhatte. Wie bereits in der Einleitung dieser Denkschrift erwähnt wurde, behandelt dasBankgesetz die als Zentralbank gedachte Reichsbank und die neben ihr fortbestehenden Privat-notenbanken in den wichtigsten Punkten formell auf gleichem Fuße (vergl, S. 16 ff.).Die Vorschrift der Dritteldcckung des Notenumlaufs und vor Allem die indirekteKvntingentirung des ungedeckten Notenumlaufs vermittelst der 5prozentigen Notensteuerist auf die Reichsbank ebenso wie auf die Privatnvtenbanken angewendet. Aber ausdieser formellen Gleichheit ist praktisch, wie schon erwähnt (vergl. S. 17, 18), eine großeUngleichheit geworden, und zwar auf Gruud des Umstandes, daß die Reichsbank, welcheals Zentralnotenbank die letzte Instanz des deutschen Geldverkehrs ist und sein will,die von ihr diskontirten inländischen Wechsel niemals weiter begiebt (vergl.S. 76), daß sie sich überhaupt an keine andere Bank anlehnt, sondern ganz anssich selbst stehend den Schwankungen des an sie herantretenden Kreditbegehrs gerechtwird, während die Privatnotenbanken sich ihrerseits an die Reichsbank anlehnen undsich, falls ihre Mittel knapp werden, neue Mittel durch Weiterbcgebung der von ihnendiskontirten Wechsel beschaffen. In Verbindung mit dem System der Notensteuerergiebt sich daraus folgendes Verhältniß: Da die Privatnotenbanken jede an sie heran-tretende Steigerung des Geldbegehrs auf die Reichsbank überwälzen können, sind sie imStande, in Zeiten eines geringen Geldbedarfs durch ein Unterbieten des Diskontsatzesder Reichsbank die ihnen zugewiesenen steuerfreien Notenkontingente bis nahe an ihreGrenze auszunützen, ohne daraus für Zeiten eines steigenden Geldbedarfs wesentlicheKontingentsüberschreitnngen befürchten zu müssen/ und von dieser Möglichkeit haben diePrivatnotenbanken.in weitem Umfange Gebrauch gemacht. Die Neichsbank dagegen,welche allein die gesammten Schwankungen des deutschen Geldbedarfs zu tragen hat,obwohl ihr durchschnittlicher ungedeckter Notenumlauf in einer Anzahl von Iahrenhinter demjenigen der Privatnotenbanken zurückgeblieben ist, muß stets darauf Bedachtuehmen, auch in ruhigen Zeiten eine so starke Reserve zu halten, daß sie den großenSchwankungen der ganzen deutschen Geldnachfrage gerecht werden kann. Das läßt sichnur erreichen durch eine überaus vorsichtige Diskontpolitik.

Erschwerend kommt hinzn, daß das erklärliche Bestreben der Privatnotenbanken, dieihnen zur Verfügung steheuden Mittel so vollständig wie möglich auszunützeu, häufig mitden Zielen der Diskontpolitik der Reichsbank kollidirt. Ohnehin schon ist eine Beherrschungdes Geldmarktes seitens einer Zentralbank nur innerhalb gewisser Schranken möglich,