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Die Reichsbank : 1876-1900
Entstehung
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Die Diskontpolitik.

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nothwendig, etwas weiter zurückzugreifen auf Vorgänge, die sich noch zu den Zeiten derPreußischen Bank abspielten, deren Wirkungen sich jedoch in vollein Umfang auf dieReichsbank erstreckten.

Die Zahlung der französischen Kriegskoftenentschädigung war über alle Erwartungenrasch erledigt worden. Ihre Eingänge waren, soweit sie nicht in Metall bestanden,für die Zwecke der Münzreform zu einem großen Theil in Gold realisirt wordeu. Vonder Mitte des Jahres 1874 an begann sich die natürliche Reaktion auf die starkeÜbertragung von Baargeld nach Deutschland zu zeigen. Bei einer großen Geldfüllein Deutschland uud einer relativen Knappheit auf den wichtigsten ausländischen Geld-märkten begann Metallgeld aus Deutschland abzufließen, uud zwar in der Form vonGoldmünzen, da in Folge der Silberentwerthung der Metallgehalt der Silbcrkurant-münzen nicht mehr ihrem Nennwerth entsprach. Diese Verhältnisse bestanden mit ein-zelnen scharfen Unterbrechungen bis zum Jahre 1879. Der deutsche Vorrath vonMetallgeld, welcher vom Beginne der Münzreform bis zur Mitte des Jahres 1873eine Vermehrung von etwa 1 985 Millionen Mark auf 2 805 Millionen Mark erfahrenhatte, verminderte sich zu einem großen Theile durch Goldabfluß uach dem Aus-land allmählich wieder bis auf etwa 2 420 Millionen Mark zu Beginn desJahres 1879. Bei dem starken Umfange des noch vorhandenen Silbergeldes wurdejeder Goldabflnß doppelt störend empfunden, und die Zentralbank sah sich oft genugveranlaßt, durch ein Anziehen der Diskontschraube der Ausfuhr vou Gold entgegen-zuwirken.

Am bedrohlichsten gestaltetes sich die Dinge in der Zeit von Mitte 1874 bisMitte 1875, also in den letzten Iahren der Preußischen Bank . Der Goldabflußnamentlich nach Belgien und Frankreich nahm so große Dimensionen an, daß viel-fach die Durchführung der Goldwähruug als gescheitert angesehen wnrde. Die PreußischeBank ging zur Abwehr am 23. November 1874 mit ihrem Diskontsatze bis auf l> Pro-zent in die Höhe, jedoch ohne merklichen Erfolg/ denn bei der Geldfülle auf dem offenenMarkte blieb der Börsendiskont bis zu 2'/^ Prozent hinter dem Bankdiskont zurück.Ebensowenig vermochte der Umstand, daß sich die Banken, einschließlich der PreußischenBank , weigerten, Gold herauszugeben, eine Besserung herbeizuführen/ im Gegentheil,die Folge dieses Verhaltens war, daß für Reichsgoldmünzen im freien Verkehr ein Auf-geld gezahlt wurde und daß sich die auswärtigen Wechselkurse zu Ungunsten Deutschlands abnorm weit von der Parität entfernten, daß der kurze Wechsel auf London zeitweiseeinen Kurs von 20,6s, der kurze Wechsel auf Paris eiuen Kurs von 8I,ss erreichte.Der ganze Verlauf dieser kritische» Periode konnte einen Begriff davon geben, unterwelchen Schwierigkeiten die Neichsbank zu arbeiten haben würde.