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Oic ^iskvutpolitik.
fuhr eine weitere Steigerung, Der Jahresschluß brachte eine Anlage von 8l>8 MillionenMark und eine Kontingentsüberschreitung von 109^ Millionen Mark. Besonders aus-fallend, aber charakteristisch für die gestimmte Situation, war die ungewöhnliche Höheder Lombardanlage, die mit 186 Millionen Mark alles bisher Dagewesene übertraf.Gerade in diesem Umstand zeigte sich, in welchem Umfang die flüssigen Mittel damalsfestgelegt waren. Die Knappheit des Geldes auf dem offenen Markt trat schlagenddarin in Erscheinung, daß sich im letzten Quartal 1889 der Marktdiskont stets naheam Bankdiskont hielt, ja daß er diesen im November und Dezember zeitweise erreichte.Damit war es für die Neichsbank nahe gelegt, dem Beispiel der Bank von England zu folgen, die in den letzten Tagen des Jahres ihren Diskontsatz auf 6 Prozent er-höhte, obwohl der Londoner Marktdiskont niedriger stand als der Berliner. In An-betracht der für die ersten Wochen des neuen Jahres zn erwartenden Erleichterungglaubte jedoch die Reichsbankleitung, der Geschäftswelt eine solche ungewöhnliche Ver-theuerung ihres Zinssatzes ersparen zu können.
Der Rückfluß nach dem Jahreswechsel entsprach indeß nicht den Erwartungen.Der andauernde Geldbedarf hielt die von der Reichsbank hinausgegebenen Mittel mitungewöhnlicher Zähigkeit fest. Die Hochkonjunktur war auf dem Gipfel/ die Preiseder industriellen Rohstoffe hielten sich auf ihrer Höhe, ja erfuhren weitere Steigerungen/die Gründung von Aktiengesellschaften wnrde mit ungeschwächter Kraft fortgesetzt.
Erst am 22. Februar setzte die Neichsbank ihren Diskont aus 4 Prozent herab/ihre Diskontirungcn zum Privatsatz, welche sie gleichzeitig wieder aufnahm, mußte siejedoch bei der Höhe des Börsendiskonts schon am 8. März wieder einstellen.
Allmählich stellten sich Anzeichen des beginnenden Niederganges der Konjunkturein. Das Ausland ging mit Preisherabsetzungen voran und machte der deutschenProduktion verschärfte Konkurrenz, namentlich auf dem Gebiete der Montanindustrie.Von März an folgten sich die Preisherabsetzungen Schlag auf Schlag und ihnen folgteder Zusainmenbruch der Spekulation in Industriepapieren.
Aber auch dadurch wurde noch keine nachhaltige Erleichterung für den Geldmarktgeschaffen. Diejenigen Häuser, welche sonst dem Wechselverkehr große Mittel zur Ver-fügung stellten, sahen sich dadurch zu großer Zurückhaltung genöthigt, daß sie aufgroßen Posten von Werthpapieren, die nur mit Verlust veräußert werden konnten, fest-saßen. Noch ehe eine wirkliche Besserung Platz greifen konnte, trat eine Kombinationvon Umständen ein, durch welche die Situation ein ganz außerordentliches Gepräge erhielt.
Zunächst zog Nußland gegen Ende September mit einem Schlage 40 MillionenMark in Gold aus Deutschland zurück und führte dadurch eine empfindliche Schwächungdes ohnedies stark zusammengeschmolzenen Goldbestandes der Reichsbank herbei.