Die Diskontpolitik,
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und sie hat diesen Satz auch in der Folgezeit bis über den Jahresschluß hiuaus bei-behalten können, selbst gegenüber den auch im Jahre 1990 außerordentlich starkenAnsprüchen des Herbstbedarfs und der Beunruhigung des Kapitalmarktes, welche durchdie Aufdeckung der Mißwirthschaft zweier Berliner Bodenkreditbanken hervorgerufen wurde.In Anbetracht des entstehenden Mißtrauens sahen sich sämmtliche Hypothekenbankengenöthigt, für eine Verstärkung ihrer Barbestände Sorge zu trageu, und wesentlichdiesen Verhältnissen ist es zuzuschreiben, daß der Stand der Neichsbauk am Jahres-schlüsse eine Anspannung aufwies, die wenig hinter der bisher größten Inanspruchnahmevom 39. September 1899 zurückblieb. Die Anlage stellte sich sogar auf 1 319 MillionenMark, während die höchste Anlage des Jahres 1900 nnr 1251 Millionen Mark be-tragen hatte. Wenn trotzdem die Überschreitung des Notcnkontingcuts eine geringerewar, als am ungünstigsten Ausweistage des Jahres 1899 (356 gegen 371 MillionenMark, vergl. Tab. 23), und wenn sich die Deckung der Noten und der täglich fälligenVerbindlichkeiten etwas günstiger stellte, so kam es daher, daß es gelungen war, denBarbestand höher zu halten als im Jahre 1899. Zweifellos hat dazu beigetragen,daß die zur Beschaffung von Mitteln für die chinesische Expedition ausgegebenen Neichs-schatzanweisungen im Gesammtbetrage von 80 Millionen Mark zum weitaus größtenTheil iu den Vereinigten Staaten untergebracht worden sind.
Obwohl mithin Alles in Allem genommen die Rcichsbank auch in der zweitenHälfte des Jahres 1900 noch ungewöhnlich stark in Anspruch genommeu wurde undobwohl ihr durchschnittlicher Diskontsatz im Jahre 1900 mit 5,zzz Prozent denjenigendes Jahres 1899 mit 5,oüt> Prozent (vergl. Tab. 67) noch überstieg, so ist doch der Einflußdes in dem wirtschaftlichen Aufschwung eingetretenen Stillstandes darin zu erkennen, daßzum erstenmal seit 1895 von einer Erhöhung des Diskontsatzcs in der zweiten Jahreshälfteabgesehen werden, ja daß sogar beim Beginn des zweiten Halbjahres eine Herabsetzungdes Diskonts vorgenommen werden konnte und daß die Zinssätze der zweiten Jahres-hälfte — ganz im Gegensatz zum gewöhnlichen Verlauf — niedriger waren als diejenigendes ersten Semesters. Dieselbe Entwickelung hat der Marktdiskont durchgemacht, derin der zweiten Jahreshälfte in immer größerem Abstand hinter den Sätzen des Jahres 1899,die er in den ersten 6 Monaten meist erheblich übertroffen hatte, zurückblieb. Durchdiese Gestaltung der Dinge fällt ein bemerkenswerthes Streiflicht nach rückwärts aufdie treibenden Faktoren der Entwickelung des Geldmarktes uud der Zinssätze währendder ganzen Periode vom Jahre 1895 an. Vor Allem ergicbt sich, daß nicht, wievielfach behauptet wurde, die Schmälerung der Goldgewinnung durch den Transvaalkriegin erster Reihe die abnorme Steigerung der Zinssätze um die Jahreswende 1899/1900verursacht haben kann/ denn die rückläufige Bewegung in den Zinssätzen hat begonnen,
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